Newsletter 19: Marktverwerfungen (Corona) – typische Verhaltensfehler

29. Februar 2020
Marktperformance-Newsletter19

Marktverwerfungen – Rückblick

Die letzte Handelswoche im Februar 2020 bescherte uns die grössten Wochenverluste an den weltweiten Aktienmärkten seit der Finanzkrise 2008. Der Dow Jones Industrial Average und der Stoxx Europe 600 fielen über 12%. Der SMI verlor rund 11,5% und der Nikkei 225 9,5%. Erst die Ankündigung des amerikanischen Notenbankpräsidenten Jerome Powell am späten Freitagnachmittag, dass die FED bereit sei, mit weiteren Zinssenkungen die Wirtschaft zu unterstützen, dämmte die Verluste etwas ein. So dramatisch diese Kursstürze sind, so darf man nicht ausser Acht lassen, dass die Hauptindizes im Vergleich zu Ende 2018 immer noch 10-18% im Plus sind. Entscheidend in solch turbulenten Zeiten ist, dass man sich nicht von Emotionen leiten lässt und in Panik verfällt, sondern besonnen sein Portfolio und die Anlagestrategie analysiert und entsprechend handelt.

Massnahmen, welche helfen, Verhaltensfehlern zu vermeiden

Unter dem Titel Behavioural Finance untersucht die neuere Wirtschaftswissenschaft typische Verhaltensmuster, welche in der Vermögensverwaltung zu falschen Entscheiden führen können. In meinem Newsletter vom Dezember 2017 habe ich bereits die „Verlustaversion“ und den „Referenzpunkt“ erklärt (die Newsletter finden Sie auf www.advocat-finanz.ch unter News/Publikationen). Je nach dem, ob ich die Kurse per Ende 2018 oder per Ende 2019 betrachte, liege ich mit der Performance in meinem Depot im Plus oder im Minus und entscheide heute nach den erlittenen Kursverlusten der letzten Woche eventuell anders (Referenzpunkt). Ausserdem empfindet der Mensch den Verlust von z.B. 20% stärker als den Gewinn von 20%. Mit dieser Verlustaversion konnte erklärt werden, weshalb der durchschnittliche Anleger Verluste zu lange aussitzt und Gewinne zu früh realisiert. Weitere Verhaltensmuster sind zum Beispiel die selektive Wahrnehmung und der Herdentrieb: In den Zeitungen gibt es aktuell die unterschiedlichsten Meinungen zum Coronavirus zu lesen. Eine Seite glaubt hartnäckig daran, dass es sich „nur“ um eine Grippe handelt, welche wie eine normale Grippe wieder vorbei geht. Die Ansteckungen und die Sterblichkeit seien nicht viel schlimmer. Damit hätten die Märkte erhebliches Reboundpotenzial, sobald die „Hysterie“ vorbei ist. Die andere Seite vertritt die Auffassung, dass es sich hierbei um eine Epidemie handelt, welche sich weiter rasant ausbreitet und die deshalb getroffenen Massnahmen der Wirtschaft einen enormen Schaden verursachen, ja die Wirtschaft sogar in eine tiefe Rezession stürzen lässt. Nach der selektiven Wahrnehmung liest man nur noch jene Artikel besonders genau, welche in das eigene Schema passen und die getroffenen Anlageentscheide rechtfertigen. Eine eigene Meinung zu haben, ist zwar wichtig, damit man nicht einfach blindlings der Masse folgt und ebenfalls in Panik unreflektiert Aktien verkauft (Herdentrieb). Man sollte jedoch auch andere Ansichten beachten und offen sein, die eigene Position zu revidieren, wenn neue Tatsachen vorliegen.

Um sich vor diesen Verhaltensfallen (Verlustaversion, Referenzpunkt, Herdentrieb, selektive Wahrnehmung) zu schützen, muss man eine klare Anlagestrategie einhalten, welche auf der eigenen Risikofähigkeit und Risikoneigung basiert. Diese Anlagestrategie gilt es in regelmässigen Abständen zu überprüfen und bei Abweichungen im Portfolio entsprechend zu handeln. In einem ausgewogenen Portfolio hat sich die Aktienquote in der letzten Woche reduziert, so dass man eher Aktien nachkaufen sollte. Andererseits schützt man sich vor Verlusten, wenn man Stop-Loss-Limiten setzt und diese dann auch entsprechend ausführt. In vielen Portfolios wird es nun einige Titel geben, welche solche Limiten durchbrochen haben. Entsprechend sollte man den Mut aufbringen, Aktienpositionen mit Verlusten zu verkaufen, bevor die Verluste noch grösser werden. Über die gesamte Haltefrist gesehen, dürften die meisten Aktien aber immer noch eine positive Performance aufweisen und die Stop-Loss-Limite nur durchbrochen haben, weil diese Limiten in der Vergangenheit nach oben mitgezogen werden konnten.

Kaufgelegenheiten wahrnehmen oder Gewinne sichern?

Ob sich die Besorgnis um das Coronavirus bald legt und die wirtschaftlichen Folgen bloss temporärer Art sind oder ob das Coronavirus die weltweite Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzt, das lässt sich heute kaum beurteilen. Es braucht jedoch eine eigene Meinung, damit man sich für taktische Anlageentscheide positionieren kann. Wenn sich die eigene Ansicht aber als falsch abzeichnet, muss man dies auch eingestehen sowie die taktische Positionierung überdenken und anpassen. Der langfristige Investor sollte keinesfalls seine Anlagestrategie aufgrund der Marktverwerfungen ändern. Das heisst, ein Investor mit einer Aktienstrategie sollte jetzt seine Aktienquote nicht drastisch reduzieren, wenn sich sein Risikoprofil nicht (zum Beispiel wegen anstehenden Ausgaben) grundsätzlich ändert. Aber was soll der Aktieninvestor nun tun, wenn zahlreiche Stop-Limiten durchbrochen werden? Man sollte die Gelegenheit nutzen und überlegen, welche Aktien man heute kaufen würde, wenn man ein neues, längerfristiges Depot anlegt. Falls die betroffene Aktie auch im neuen Depot Eingang finden sollte, kann man getrost an der Aktienstrategie festhalten und die „Schmerzgrenze“ neu definieren. Im anderen Fall soll der Verlust realisiert und eine Ersatzinvestition geprüft werden. Warten Sie jedoch mit der Umsetzung des Kaufes der Ersatzinvestition nicht zu lange, sonst ist der „Zug“ allenfalls bereits abgefahren. Nach diesem Motto dürfte man einige Aktien aus der Reise- und Tourismusbranche, sowie konjunkturanfällige Titel abstossen und eher auf solide Dividendentitel setzen, welche einer weiteren Talfahrt besser trotzen.

Persönlich bin ich der Ansicht, dass sich das Coronavirus zunehmend ausbreiten wird und wir auch mit weiteren Verlusten an den Aktienmärkten rechnen müssen. Ausserdem wird sich das herrschende Tiefzins- und Negativzinsregime verschärfen. Banken werden Negativzinsen immer früher umsetzen, so dass an Aktieninvestments kein Weg vorbei führt. Der langfristige Anleger sollte also investiert bleiben und Kaufgelegenheiten nutzen. Dabei teile ich die von Oswald Grübel in der Wochenendpresse geäusserte Meinung, dass wir uns gerade in Zeiten extremer Angst befinden und deshalb die Aktienkurse rasant fallen. Sobald die Vernunft die Angst verdrängt hat, wird es wieder sehr günstige Kaufgelegenheiten geben.

Ein Gedankenaustausch kann ebenfalls hilfreich sein, sich vor Verhaltensfehlern zu schützen. Gerne stehe ich Ihnen für ein
Gespräch zur Verfügung, um Ihnen bei der für Sie geeigneten Positionierung behilflich zu sein. Ich freue mich auf Ihren
Kontakt.

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